Angst vor der Angst: Wie du sie in 2 Schritten überwindest

Angst vor der Angst überwinden

Angst ist eine der grundlegendsten Emotionen und spielt eine entscheidende Rolle, um uns vor Gefahren zu schützen und in kritischen Momenten zu handeln. Doch wenn Angst ausser Kontrolle gerät, kann sie überwältigend werden – insbesondere, wenn die Angst vor der Angst selbst entsteht. Dieses Phänomen, die Furcht vor dem nächsten Angstgefühl, kann zu erheblichen Einschränkungen im Alltag führen und unser Wohlbefinden stark beeinträchtigen. Mit emotionaler Intelligenz und bewährten Techniken wie Progressiver Muskelentspannung (PMR) und dem Body Scan kannst du jedoch lernen, mit diesen Gefühlen umzugehen und sie nach und nach zu entschärfen.

Inhaltsverzeichnis

Was bedeutet die Angst vor der Angst?

Vielleicht kennst du das: Du erlebst eine angstauslösende Situation – etwa das Sprechen vor einer Gruppe oder einen beängstigenden Gedanken – und fühlst, wie dein Herz schneller schlägt, die Hände schwitzen und die Atmung flach wird. Später fürchtest du nicht mehr nur diese Situation, sondern auch das unangenehme Gefühl der Angst selbst. Du versuchst, Angst zu vermeiden, doch dieser Versuch verstärkt oft genau das Gegenteil: Sie wächst.

Lisa Feldman Barrett, eine führende Neurowissenschaftlerin, beschreibt Emotionen nicht als fixe Zustände, die uns überwältigen, sondern als Konstrukte, die wir durch unsere Interpretation und Erfahrungen schaffen. Das bedeutet: Du hast mehr Einfluss auf deine Emotionen, als du vielleicht glaubst. Der Schlüssel liegt in deiner Selbstwahrnehmung und Selbstregulation.

 

Selbstwahrnehmung: Angst erkennen und verstehen

Ein erster Schritt im Umgang mit der Angst vor der Angst ist, sie bewusst wahrzunehmen. Dabei hilft Achtsamkeit – die Praxis, deine Gedanken und Gefühle ohne Bewertung zu beobachten.

Eine praktische Achtsamkeitsübung:
  1. Setze dich an einen ruhigen Ort und schliesse die Augen.
  2. Lenke deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem. Spüre, wie die Luft durch deine Nase einströmt und wieder ausströmt.
  3. Wenn Gedanken oder Ängste auftauchen, bemerke sie einfach und lasse sie weiterziehen, ohne dich daran festzuhalten.
  4. Sage dir innerlich: „Das ist nur ein Gedanke. Es ist okay, ihn zu haben.“

Achtsamkeit stärkt deine Selbstwahrnehmung. Du lernst, die Anzeichen von Angst frühzeitig zu erkennen, bevor sie sich aufschaukeln. Ausserdem schaffst du Abstand zwischen dir und deinen Emotionen – du bist nicht deine Angst, sondern jemand, der sie wahrnimmt.

 

Selbstregulation: Mit der Angst arbeiten statt gegen sie

Selbstregulation bedeutet, deine Emotionen aktiv zu steuern, statt von ihnen überwältigt zu werden. Dabei kannst du auf wissenschaftlich validierte Techniken zurückgreifen, die nachweislich dabei helfen, Stress und Angst zu reduzieren:

 

Progressive Muskelrelaxation (PMR)

Diese Methode hilft dir, die körperlichen Symptome von Angst zu beruhigen. Dabei spannst du nacheinander verschiedene Muskelgruppen an und entspannst sie wieder.

So funktioniert PMR:

  1. Setze oder lege dich bequem hin.
  2. Spanne nacheinander verschiedene Muskelgruppen deines Körpers an – z. B. die Hände, Arme, Schultern, Beine – und lasse sie dann los.
  3. Achte darauf, wie sich Entspannung in deinem Körper ausbreitet.
  4. Verbinde dies mit deinem Atem: Atme tief ein, während du anspannst, und aus, während du loslässt.

PMR wurde in zahlreichen wissenschaftlichen Studien als effektive Methode zur Reduktion von Stress und Angst belegt. Sie signalisiert deinem Gehirn, dass keine unmittelbare Gefahr besteht, und hilft, den Kreislauf aus Angst und körperlicher Alarmbereitschaft zu durchbrechen.

👉 Angeleitete PMR auf Deutsch: Progressive Muskelentspannung der TK

👉 Angeleitete PMR auf Englisch: Therapist Aid – Progressive Muscle Relaxation

 

Body Scan

Eine sanftere Alternative zur PMR ist der Body Scan, der aus der Achtsamkeitspraxis stammt. Dabei lenkst du deine Aufmerksamkeit systematisch durch deinen Körper, um Empfindungen bewusst wahrzunehmen.

So führst du den Body Scan durch:

  1. Finde einen ruhigen Ort und setze oder lege dich bequem hin.
  2. Richte deine Aufmerksamkeit zunächst auf deinen Atem.
  3. Beginne bei den Füssen und wandere langsam nach oben, bis du den Kopf erreichst. Spüre dabei in jede Körperregion hinein: Gibt es Spannung, Wärme, Kribbeln oder andere Empfindungen?
  4. Versuche, alles neutral zu beobachten, ohne es zu bewerten. Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“.
  5. Wenn du Spannungen bemerkst, atme bewusst in diesen Bereich hinein und lasse die Spannung mit jedem Ausatmen los.

Der Body Scan ist ebenfalls wissenschaftlich fundiert und wird häufig im Rahmen von Programmen wie dem Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) eingesetzt. Studien zeigen, dass diese Technik das parasympathische Nervensystem aktiviert und Stress nachhaltig reduziert.

👉 Angeleiteter Body Scan auf Deutsch: Body Scan der TK

👉 Angeleiteter Body Scan auf Englisch: Body Scan Meditation – Jon Kabat-Zinn auf Youtube

 

Emotionen als Konstrukte verstehen

Lisa Feldman Barrett betont, dass Emotionen kein festgelegtes Schicksal sind, sondern Konstrukte, die wir durch unsere Gedanken und Erfahrungen selbst formen. Wenn du deine Emotionen „uminterpretierst“, kannst du ihre Wirkung verändern. Ein einfacher Ansatz ist das sogenannte Reframing.

Beispiel: Statt zu denken: „Meine Angst zeigt, dass ich schwach bin,“ sage dir: „Meine Angst zeigt, dass mir diese Situation wichtig ist.“ Dadurch entsteht Raum für Neugier und Selbstmitgefühl, anstatt von negativen Gedankenspiralen überwältigt zu werden.

 

Ein konkreter Plan gegen die Angst vor der Angst

  1. Selbstwahrnehmung stärken: Führe ein Emotions-Tagebuch. Schreibe auf, wann Angst auftritt, was sie auslöst und wie du reagierst.
  2. Achtsamkeit üben: Nimm dir täglich 10 Minuten Zeit, um bewusst in deinen Körper und deine Gefühle hineinzuspüren.
  3. Progressive Muskelrelaxation und Body Scan: Wende eine oder beide Techniken regelmässig an, um Spannungen zu lösen und ruhiger zu werden.
  4. Reframing: Suche nach einer neuen, konstruktiven Perspektive auf deine Ängste.
  5. Langsam Konfrontieren: Stelle dich schrittweise den Situationen, die dir Angst machen, und erkenne, dass du diese bewältigen kannst.

 

Fazit: Die Angst vor der Angst überwinden

Die Angst vor der Angst fühlt sich oft überwältigend an, aber sie ist nicht unüberwindbar. Mit emotionaler Intelligenz – durch die Kombination aus Selbstwahrnehmung und Selbstregulation – kannst du lernen, mit ihr zu arbeiten, statt gegen sie anzukämpfen. Achtsamkeit, Progressive Muskelrelaxation und der Body Scan sind wertvolle Werkzeuge, um innere Ruhe zu finden. Und wie Lisa Feldman Barrett sagt: Deine Emotionen sind formbar. Du hast die Fähigkeit, ihre Bedeutung zu verändern und sie zu deinem Vorteil zu nutzen.

Falls deine Angst jedoch sehr stark ist und dich im Alltag massiv einschränkt, kann es hilfreich sein, psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Der Psyfinder der Föderation Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP) bietet eine verlässliche Möglichkeit, eine geeignete Fachperson zu finden. Bei milderen Ängsten kann auch ein Coaching eine gute Unterstützung sein, um gezielt an der Selbstwahrnehmung und Selbstregulation zu arbeiten.

Trau dich, diesen Weg zu gehen. Du wirst nicht nur deine Angst besser verstehen, sondern auch entdecken, wie du gestärkt und ruhiger durchs Leben gehen kannst.

 

Quelle

Lisa Feldman Barrett (2017): How Emotions are Made – The Secret Life of the Brain

Über Sybille Imbach, Organisationspsychologin & Leadership Coach

Sybille Imbach unterstützt Führungskräfte und Teams mit grosser Hingabe dabei, ihre emotionale Intelligenz und Resilienz zu stärken. Mit langjähriger Erfahrung als Organisationspsychologin spezialisiert sie sich auf nachhaltige Strategien im Stressmanagement und in der Teamentwicklung, um persönliches Wohlbefinden, wirksames Führen und konstruktive Teamarbeit zu fördern. Ihre Expertise kombiniert Psychologie und Coaching auf einzigartige Weise, um gesunde und produktive Arbeitsumgebungen zu schaffen.

In ihren Coachingsessions bietet Sybille Imbach praktische Tools und massgeschneiderte Unterstützung, damit Führungskräfte komplexe Herausforderungen gelassen und souverän meistern.

Sybille Imbach - Imbach Coaching & Consulting Zürich